Kartellgesetz? Arbeitsgemeinschaften? Nix verstehen!
Männer nehmen in der Regel neue technische Geräte in Betrieb, ohne die Gebrauchsanweisung zu lesen. Dies behaupten zumindest die Frauen. In den meisten Fällen geht das auch gut, denn oft braucht man(n) nicht jede mögliche Funktionalität des Gerätes zu beherrschen. Der Autor einer Bedienungsanleitung hingegen muss das Gerät kennen wie seine Westentasche.
Anders in der Politik. Bei der aktuellen Revision des Kartellgesetzes kann man durchaus von einem schlechten Handbuch sprechen. Wie es scheint, war der Ständerat in der letzten Frühjahrssession mit der Betriebsanleitung für ein verständliches Wettbewerbsrecht überfordert.
Zentraler Knackpunkt ist der Artikel 5 über unzulässige Wettbewerbsabreden. Geht es nach dem Ständerat, werden «Abreden» nur zugelassen, wenn Unternehmen deren volkswirtschaftliche Effizienz beweisen können. Als Beispiel wurden im Rat mehrfach die vor allem in der Bauwirtschaft üblichen Arbeitsgemeinschaften herangezogen.
Arbeitsgemeinschaften sollen auch im neuen Kartellrecht erlaubt sein, betonten gleich mehrere Parlamentarier. So meinte etwa der Grünliberale Markus Stadler: «Entgegen dem, was uns von einer Branche in den letzten Tagen geschrieben wurde, sind gemäss dem neuen Recht – so wie ich das sehe – Arbeitsgemeinschaften nach wie vor erlaubt, wenn sie nicht den Wettbewerb behindern. So ist eine Arbeitsgemeinschaft kartellrechtlich unbedenklich, wenn die daran beteiligten Unternehmen alleine nicht in der Lage wären, die Aufträge durchzuführen oder wenn es betriebswirtschaftlich nicht vernünftig wäre.»
Was will Ständerat Stadler damit sagen? Was glaubt er wohl, weshalb Unternehmen Arbeitsgemeinschaften bilden, wenn nicht aus betriebswirtschaftlicher Vernunft?
Bundesrat Johann Schneider-Ammann erklärte im Stöckli: «Arbeitsgemeinschaften zwischen Firmen aus unterschiedlichen Sparten fallen nicht unter Artikel 5. Wenn also ein Maurer und ein Zimmermann gemeinsam ein Angebot machen, ist das zulässig. Unzulässig ist es, wenn drei führende Unternehmen auf einem bestimmten Platz ein Konsortium bilden, obwohl jede einzelne Unternehmung für sich in der Lage wäre, ein Angebot abzugeben. Arbeitsgemeinschaften sind also nicht a priori kartellverdächtig.» Lieber Herr Bundesrat, Konsortien unter Tief- oder Strassenbaufirmen sind weitaus häufiger als gemeinsame Angebote von Maurern und Zimmerleuten.
Beängstigend ehrlich äusserte sich Ständerat Hans Altherr zur Sachkompetenz im Saal: «Obwohl ich nicht zur Handvoll Menschen in diesem Saal gehöre, welche diese Vorlage vollkommen verstehen, möchte ich mich zu diesem Artikel doch noch kurz äussern…»
Falsch oder unverständlich geschriebene Betriebsanleitungen sind ärgerlich, aber nicht weiter schlimm. Unser Parlament ist aber drauf und dran, eine der wichtigsten Organisationsformen unserer Branche zu verbieten. Wohl nicht aus bösem Willen. Einzig aus Mangel an Sach- und Praxisverstand. Das sollte uns schon heute zu denken geben. Und nicht erst dann, wenn auf unseren Grossbaustellen nur noch ausländische Baukonzerne anzutreffen sind.