Lösungen für die urbane Mobilität

Blog  > Lösungen für die urbane Mobilität

Die Strassen sind überlastet, die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt. Das ist keine neue Erkenntnis. Innovative Lösungen können aber nicht von heute auf morgen realisiert werden. Florence Germond, die seit knapp einem Jahr das Amt für Strassen und Mobilität der Stadt Lausanne leitet, erörterte zusammen mit Fachleuten aus dem Infrastrukturbau die Problematik an der Infra-Tagung in Lausanne.

Den Westschweizerinnen und Westschweizern ist längst klar, dass die Frage wie es in der Mobilität weitergehen soll, mit Priorität behandelt werden muss. Denn regelmässig bleiben sie als Autofahrer im Stau stecken oder stehen zusammengepfercht in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die vielen Agglomerationsprojekte, die in den letzten Jahren erörtert wurden, schafften ein umfassenderes Bewusstsein für die ganze Problematik. Es schien, als hätte man die alten Grabenkämpfe zwischen Schiene und Strasse überwunden. Mit der bevorstehenden Abstimmung über den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) wurden die Feindseligkeiten aber wieder geweckt. Nun dauert es nur noch wenige Tage bis zum Urnengang, und die Debatte wird immer heftiger.

Die Infra-Tagung vom 7. Februar 2017 zum Thema «Welche Lösungen gibt es für die urbane Mobilität?» findet somit zum richtigen Zeitpunkt statt. Verschiedene Referenten aus den Bereichen Politik und Infrastrukturbau unterbreiteten teilweise originelle Vorschläge.

Ein Ziel, verschiedene Lösungen

Im einleitenden Referat bemängelte Blaise Clerc, Westschweizer Sekretär von Infra Suisse und Vizedirektor des Schweizerischen Baumeisterverbandes, die vielen Jahre der Stagnation. Er rief zu einem Wechsel der Perspektive auf. Politikerinnen und Politiker können sich nicht mehr darauf beschränken, hin und wieder mal ein paar Ideen zu vertreten. Sie müssen vielmehr klare Entscheidungen treffen und Projekte zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Es sei nun unerlässlich, dass sich alle Akteure und Betroffenen zusammentun, um die besten Strategien und Lösungen für eine urbane Mobilität des 21. Jahrhunderts zu entwickeln, die diesen Namen verdient.

Vor diesem Hintergrund ist der NAF von grosser Bedeutung. Selbst wenn man sich für praktisch autofreie Städte entscheiden sollte, müssen neue Entlastungsinfrastrukturen, Parkplätze und öffentliche Verkehrsmittel gebaut werden. Das bestehende Verkehrsnetz erfordert permanente Unterhaltsarbeiten, deren Finanzierung gewährleistet sein müssen.

Obwohl Florence Germond die Leitung des Amts für Strassen und Mobilität der Stadt Lausanne erst vor knapp einem Jahr übernommen hat, ist sie bestens mit dem Dossier vertraut. Denn über zehn Jahre war sie in Verbänden wie Pro Velo und VCS tätig, die sich für die Förderung des Langsamverkehrs einsetzen. Florence Germond zeigte sich erfreut, dass die Benutzerzahlen der Lausanner Verkehrsbetriebe seit rund zehn Jahren steil nach oben weisen. Für die Entwicklung in den kommenden Jahren sieht sie drei Schwerpunkte: Erstens soll das Angebot im öffentlichen Verkehr dank leistungsfähigen Lösungen ausgebaut werden. Zweitens soll der Fuss- und Veloverkehr in der Stadt massiv gefördert werden. Und drittens sollen Lösungen für eine sich ergänzende, übergreifend Mobilität entwickelt werden. Dabei sei es wichtig, zwischen den Interessen der verschiedenen Beteiligten abzuwägen. Aus Sicht von Florence Germond sind die Lenkung und Koordination ohne Einbezug der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr denkbar.

Sylvain Guillaume-Gentil, Geschäftsführer von Transitec Ingénieurs-Conseils SA, betonte seinerseits den Unterschied zwischen Mobilität und Erreichbarkeit. Die Bevölkerung wünscht, dass Arbeitsort, Geschäfte oder Freizeitaktivitäten leicht erreichbar sind. Die Entstehung von sozialem oder wirtschaftlichem Wohlstand ergibt sich somit direkt aus der guten Erreichbarkeit von Lebensorten. Sylvain Guillaume-Gentil hielt fest: «Dementsprechend sollten alle, welche die Mobilität lenken möchten, darauf achten, dass Städte und ihre Agglomerationen gut und nachhaltig erreicht werden können.»

Vincent Kaufmann, Professor an der EPFL, legte den Schwerpunkt auf den öffentlichen Verkehr und wies auf die veränderten Erwartungen der Benutzerinnen und Benutzer hin. «Der aktive, vernetzte Benutzer von heute achtet nicht mehr in erster Linie darauf, dass die Fahrten weniger Zeit in Anspruch nehmen. Im Vordergrund steht viel eher der Komfort, der unterwegs geboten wird. Wichtig ist nicht mehr, möglichst wenig Zeit zwischen Stadt A und B zu verbringen, sondern dass man während der Fahrt etwas erledigen, arbeiten kann.»

Aus Sicht von Alain Jaccard, Präsident der Organisation Kommunale Infrastruktur, wird der Mobilitätsbedarf zunehmen. Seines Erachtens lassen sich die Autonomie, die Automatisierung und die Individualisierung der künftigen Mobilität bereits in der Technologie erkennen, die zurzeit entwickelt wird (automatisierte, fahrerlose Elektro-Kleinfahrzeuge).

Der Direktor der Genfer Verkehrsbetriebe, Denis Berdoz, präsentierte die Entstehungsgeschichte seines Unternehmens. Diese zeigt, dass weiterhin grosses Entwicklungspotenzial besteht, obwohl bereits aussergewöhnliche Fortschritte erzielt wurden. Einer der nächsten Schritte könnte die Eroberung des Luftraums mit der Einführung von Stadtseilbahnen sein. Mit den vorgestellten Beispielen beeindruckte und begeisterte Ingenieur Paul Glassey die rund 200 Fachleute an der Tagung.