Infra-Tagung 2015: Infrastrukturbau im Wettbewerb

Veranstaltungen > Archiv > Infra-Tagung 2015: Infrastrukturbau im Wettbewerb

Bundesrätin Doris Leuthard findet das Mitspracherecht der Bevölkerung bei Bauprojekten wichtig. Sie warnte an der Infra-Tagung aber zugleich vor einer «Beschwerden-Demokratie». Die Baubranche diskutierte zudem die Privatisierung der Schweizer Autobahnen nach österreichischem Vorbild.

«Wer Infrastrukturen plant und baut, muss in grossen Zeithorizonten denken», sagte Bundesrätin Doris Leuthard an der Tagung der Schweizer Infrastrukturbauer in Luzern. Dabei sei es wichtig, die Bevölkerung bei grossen Bauprojekten im Entscheidungsprozess miteinzubeziehen. Dieser Grundsatz dürfe jedoch nicht zu einer «Einsprachen- und Beschwerden-Demokratie» führen, stellte die Verkehrsministerin klar.

Kürzere Verfahren für Bewilligungen

Einsprachen und langwierige Bewilligungsverfahren sind auch auf dem Weg zu einer atomfreien Stromversorgung ein grosses Hindernis. «Heutige Bewilligungsverfahren dauern bis zu 12, manchmal aber auch über 30 Jahre», erläuterte Pierre-Alain Graf, CEO der Nationalen Netzgesellschaft Swissgrid AG. Eine Verfahrensdauer von 6 Jahren wäre optimal, denn die Zeit für den Netzumbau dränge, erklärte Graf. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen brauche ein flexibleres Stromnetz.

Autobahnen marktwirtschaftlich bauen und betreiben

Während in der Schweiz das Bundesamt für Strassen für alle Belange der Nationalstrassen zuständig ist, hat sich Österreich für ein marktorientierteres Modell entschieden. Die private Infrastrukturgesellschaft ASFINAG baut und betreibt über 2000 Kilometer Strassen. Eine konsequente Trennung von Aufsichtsbehörde und Infrastrukturbetreiber wäre nach deren Vorstandsdirektor Klaus Schierhackl auch für die Schweiz ein Gewinn. Profitieren würden sowohl die Benutzer des Strassennetzes wie auch die öffentliche Verwaltung. «Eine unternehmerisch ausgerichtete Gesellschaft realisiert nur Bauprojekte, die für das Leistungsangebot nötig sind», betonte Schierhackl. Lokale Begehrlichkeiten blieben auf eine gesundes Mass begrenzt.

140‘000 Artikel regeln das Bauen

«Das Baurecht von Bund, Kantonen und Gemeinden umfasst heute 140’000 Gesetzes- und Verordnungsartikel», erklärte Benedikt Koch, Geschäftsführer des Fachverbands Infra. Diese Flut an gesetzlichen Bestimmungen verursache allein im Hochbau in der Schweiz Kosten von schätzungsweise 1.6 Milliarden Franken pro Jahr. Auch im Infrastrukturbau nehme die Regulierungsdichte deutlich zu, stellte Koch fest. Diese Entwicklung mache die Arbeit der Bauunternehmen immer anspruchsvoller.

Doch auch für die Bauherren wird das Bauen schwieriger. Das stellte der stellvertretende Chef des Amtes für Landschaft und Natur des Kantons Zürich, Marco Pezzatti, fest. Immer häufiger und heftiger werde darüber gestritten, was mit dem verbleibenden, unbebauten Böden geschehen soll. Darum forderte Pezzatti von der Politik mehr Mut, klare Prioritäten zu setzen.

Faire Wettbewerbsbedingungen

Politische Unsicherheiten und mächtige Auftraggeber machen den Infrastrukturbau zu einem schwierigen Markt. Es sei grundsätzlich anerkannt, dass die öffentliche Hand im Infrastrukturbau marktmächtig ist, führte Patrick Krauskopf aus. Deshalb sei es besonders wichtig, dass sich die Vergabestellen an die vorgeschriebenen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren halten. Krauskopf ist Leiter des Zentrums für Wettbewerbs- und Handelsrecht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und war früher für die Wettbewerbskommission Weko tätig.

Sichere Strassenfinanzierung

Für klare Verhältnisse bei der Bahninfrastruktur hat das Stimmvolk vor einem knappen Jahr mit dem Ja zur FABI-Vorlage gesorgt. Urs Hany, Präsident des Fachverbands Infra, zeigt sich erfreut, dass nun aus einem separaten Fonds das bestehende Schienennetz besser unterhalten und wichtige Engpässe beseitigt werden können. «Was bei der Bahn schon Realität ist, fehlt noch beim bedeutendsten Verkehrsträger – der Strasse», merkte Hany an. Der Bundesrat habe mit der Absicht, einen Nationalstrassenfonds zu schaffen, den richtigen Weg eingeschlagen. Hany rief deshalb das Parlament dazu auf, auch für den Betrieb, den Unterhalt und den Ausbau der Nationalstrassen möglichst rasch einen Fonds mit genügend Mitteln zu schaffen.

Referate

Eröffnung der Tagung

9:00 Uhr - Urs Hany - Gute Strassen-, Schienen- und Stromnetze sind ein Wettbewerbsvorteil. Wer die Infrastrukturen nicht unterhält und ausbaut, setzt diesen Vorteil aufs...

Mehr lesen

Infrastrukturen im Wandel der Zeit

9:15 Uhr - Bundesrätin Doris Leuthard - Mit der Energiestrategie 2050 und neuen Fonds für Schiene und Strasse gestaltet der Bund die Zukunft der wichtigsten Schweizer...

Mehr lesen

Das Stromsystem auf dem Weg in die Zukunft

9:40 Uhr - Pierre-Alain Graf - Die Strominfrastruktur wurde grösstenteils in den 60er- und 70er-Jahren gebaut. Die Energiestrategie und neue Sicherheitsanforderungen machen einen Umbau nötig....

Ref

Ausgliederung der Nationalstrassen?

10:05 Uhr - Dr. Klaus Schierhackl - Die ASFINAG plant, baut, betreibt und fi nanziert in Österreich erfolgreich Autobahnen und Schnellstrassen. Ein Modell, das auch in...

Mehr lesen

Bauherren und Unternehmen im Fadenkreuz der WEKO

11:20 Uhr - Prof. Dr. Patrick Krauskopf - Bauen ist in der Schweiz ein kartellrechtlicher Hürdenlauf. Wieso ist das so? Welche Rolle hat oder hätte eine Wettbewerbsbehörde...

Mehr lesen

Der Kampf um den letzten Boden

11:45 Uhr - Dr. Marco Pezzatti - Im Mittelland wird der Boden immer knapper. Verkehrsplaner, Umweltschützer, Landwirte und Investoren kämpfen um jeden Quadratmeter freie Fläche. Bringt...

Mehr lesen

Infrastrukturbau im Wettbewerb

12:10 Uhr - Dr. Benedikt Koch - Unberührte Landschaften, tiefe Steuern, staatliche Förderung und freie Fahrt: Diese Wunschliste birgt Konfl iktpotenzial.

Mehr lesen