Das Preisprüfungsrecht: Das «Einsichtsrecht» im neuen Beschaffungsrecht

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Seit 1. Januar 2021 ist auf Bundesebene das neue Beschaffungsrecht in Kraft. Neben dem BöB erfuhr auch die gleichentags in Kraft getretene Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) eine Totalrevision. Augenfällig ist, dass viele Bestimmungen der alten VöB neu ins Gesetz integriert wurden, das ehemalige Einsichtsrecht der neuen VöB in Art. 24 jedoch in Form einer Kann-Bestimmung erhalten blieb und neu Preisprüfung heisst.

Bereits im Frühjahr 2020 informierte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) im Rahmen einer Erläuterung über die wesentlichsten Grundzüge der Verordnungsrevision, darunter auch bezüglich des Preisprüfungsrechts. Dieses könne, so das EFD, beispielsweise bei Rüstungsgeschäften erforderlich werden. Mit der Richtlinie zur Preisprüfung bei Beschaffungen des Bundes vom 18. Dezember 2020 wendet sich das EFD nun an die dem Bundesbeschaffungsrecht unterstehenden Auftraggeberinnen auf Bundesebene. Neben Erläuterungen der wesentlichsten Eckpunkte der neuen Bestimmung, lassen sich im Anhang Mustertexte zur Vereinbarung des Preisprüfungsrechts entnehmen. Zugleich enthält die Richtlinie Empfehlungen für Ausnahmeregelungen und deren Formulierung. Auch wenn sich diese ebenfalls an die Auftraggeberinnen richten, dürften die nachfolgenden Punkte für die Unternehmer von Interesse sein: Im Wesentlichen hebt die Richtlinie hervor, dass neu der Bauherr nach «pflichtgemässem Ermessen» festzulegen habe, ob er bei «fehlendem Wettbewerb» und einem Auftragswert von mindestens CHF 1 Mio. ein Preisprüfungsrecht in den Vertrag mit dem Unternehmer aufnehmen will. Was ist daran neu bzw. besonders zu beachten?

Neu im Ermessen des Bauherrn, ob eine Preisprüfung vereinbart werden soll

Während das Einsichtsrecht unter altem Recht bei gegebenen Voraussetzungen noch grundsätzlich Pflicht war, liegt der Entscheid heute im Ermessen des Bauherrn. Auch wenn die Vereinbarung eines Preisprüfungsrechts freiwillig ist, empfiehlt die Richtlinie, dass die Bauherren auf Stufe Direktion im Grundsatz entscheiden sollten, ob mit den Unternehmern eine Preisprüfung zu vereinbaren ist. Empfohlen wird ferner, dass im Grundsatz ebenfalls unter Nennung von Beispielen entschieden werden solle, in welchen Fällen auf das Preisprüfungsrecht verzichtet werden könne. Und es wird dazu geraten, einen Entscheid betreffend Entscheidkompetenz für Ausnahmen zu treffen. Da sich die Richtlinie auf Empfehlungen beschränkt, ist die konkrete Umsetzung durch die Vergabestellen nur schwer abschätzbar.

Preisprüfungsrecht nur, wenn der Auftragswert erreicht ist

Die Schwelle des bisher geltenden minimalen Auftragswerts (ohne MwSt.) bleibt zwar unangetastet. Dennoch lässt das EFD im Sinne einer Ausnahmeregelung die Empfehlung verlauten, dass auch bei Vergaben mit einem Auftragswert von einer bis fünf Millionen Schweizer Franken auf die Vereinbarung eines Preisprüfungsrechts verzichtet werden könne. Für die Bauwirtschaft im Allgemeinen und die Infrastrukturbauer im Besonderen macht die Implementierung dieser Empfehlung in der Praxis besonders Sinn, finden doch die Vergaben mit Auftragssummen in diesen Höhen und in der überwiegenden Anzahl auch unter Wettbewerbsbedingungen statt.

Preisprüfungsrecht nur bei fehlendem Wettbewerb

Eine Situation, in welcher Wettbewerb fehlt, liegt nur dann vor, wenn der Bauherr einen Auftrag direkt und ohne Ausschreibung oder Einladungsverfahren an einen Unternehmer im Rahmen eines freihändigen Verfahrens vergibt (vgl. Art. 21 VöB). Vergleichbares konnte bereits der Erläuterung entnommen werden, indem festgehalten wurde, dass das Preisprüfungsrecht weiterhin nur bei freihändigen Vergaben von Aufträgen zur Anwendung komme. Es ist allerdings anzumerken, dass, obwohl von «weiterhin» gesprochen wird, dies die Vergabestellen unter altem Recht teilweise abweichend gehandhabt haben: Ein Einsichtsrecht nach altem Recht wurde immer auch dann vereinbart, wenn z.B. in einem offenen Verfahren nur ein einziges gültiges Angebot eingegangen oder nur ein einziges im Wettbewerb verblieben ist. Aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit ist auf diese Praxis – vor dem Hintergrund der neuen Richtlinie – aber künftig zu verzichten.

Grundsätzlich kein Preisprüfungsrecht, wenn ausreichender Wettbewerb besteht

In den vom EFD aufgeführten Beispielfällen, in denen ausreichender Wettbewerb anzunehmen ist, dürfte in der Regel keine Preisprüfung vereinbart werden. Erwähnt wird namentlich der Fall einer öffentlichen Ausschreibung oder eines Einladungsverfahrens bei welcher/m nur ein gültiges Angebot eingetroffen ist.

Verzicht auf Preisprüfung ist auch in anderen Fällen möglich

Das EFD empfiehlt auf die Vereinbarung einer Preisprüfung dann zu verzichten, wenn vergleichbare Folgeaufträge (Art. 21 Abs. 2 lit. e BöB) zu einem ursprünglich unter Wettbewerbsbedingungen zugeschlagenen Grundvertrag vergeben werden sollen. Dasselbe soll bei Dienstleistungen mit transparenten Stundenansätzen und festgelegtem Kostendach gelten, ausserdem bei Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen durch den Unternehmer (sog. Open Book). Für die Infrastrukturbauer überdies äusserst bedeutsam sind auch die weiteren durch das EFD aufgeführten Verzichtskonstellationen: Bei Beschaffungen mit einem Auftragswert von einer bis fünf Millionen Schweizer Franken und bei Vergaben, bei welchen für die Unternehmer nur eine geringe Gewinnmarge enthalten ist.

Wer kann Einsicht nehmen?

Bei gegebenen Voraussetzungen steht das Prüfungsrecht der Eidgenössischen Finanzkontrolle oder einer internen Revision (z.B. interne Prüfstelle des ASTRA oder der SBB) zu.

Grundsätze und Beurteilungskriterien für die Preisprüfung

Überprüft wird, ob der Unternehmer Kosten, Risiken und/oder Gewinnmargen einkalkuliert hat, die er bei gleichen oder ähnlichen Leistungen und Wettbewerbsbedingungen nicht realisieren könnte. Branchenübliche Gewinne bleiben unangetastet.

  • Kostenermittlung: Anhand der Menge und Wert der für die Leistungserstellung verbrauchten Güter und in Anspruch genommenen Dienste.
  • Preisermittlung aufgrund Selbstkosten: Nach Art und Höhe derjenigen Kosten, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstehen.
  • Prüfung der Komponenten der Preiskalkulation anhand Nachvollziehbarkeit, Meistbegünstigung, Klarheit und Wahrheit, verursachergerechte Kostenallokation, Begründung und Dokumentation der Deckungsdifferenzen.

Vertragliche Vereinbarung der Preisprüfung

Vertraglich zu regeln sind sowohl der Gegenstand und Umfang der Preisprüfung als auch die Durchführung und die allfällige Preisreduktion als Folge der Preisprüfung. Dazu gehören auch deren Modalitäten. Die Preisprüfung muss dabei auch bei beigezogenen Subunternehmern vereinbart bzw. überbunden werden. Voraussetzung ist allerdings, dass diese einen wesentlichen Anteil der gesamten Leistung erbringen.

Mit welchem Ergebnis hat der Unternehmer nach Abschluss einer Preisprüfung zu rechnen?

Die Preisprüfung kann zu zwei Ergebnissen führen: Entweder ergibt sich ein tieferer als der im Vertrag vereinbarte Preis und somit das Bedürfnis einer Preisanpassung oder es wird kein Bedarf für eine Preisanpassung festgestellt. Während der erste Fall trotz bestehender vertraglicher Vereinbarung zu einer Preisreduktion (eine Preiserhöhung findet im Übrigen nicht statt) führt, bleibt beim zweiten alles beim Alten. Eine Preisreduktion wird in einem vertraglichen Nachtrag festgehalten und kann z.B. mittels Rückzahlung, Verrechnung mit Folgerechnungen oder Erbringung von zusätzlichen Leistungen «beglichen» werden. Für einen betroffenen Unternehmer oder dessen Subunternehmer besteht aber stets die Möglichkeit, neue Belege zur Begründung der Kalkulation beizubringen. Diese sind von der zuständigen Stelle zu prüfen.

Vertraulichkeit

Sämtliche Informationen und Unterlagen sind durch die Preisprüfstelle vertraulich zu behandeln und sicher aufbewahren. Der Bauherr erhält dabei nur die für eine allfällige Preisanpassung erforderlichen Informationen.

Factsheet

Preisprüfung: Einsicht in die Kalkulation nach neuen Beschaffungsrecht des Bundes

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