Vergabemonitor der Schweizer Bauwirtschaft – 1. Ausgabe Q3 2022

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Das revidierte Beschaffungsrecht ist ein Meilenstein für die Bauwirtschaft. Neu geht der Zuschlag statt an das «wirtschaftlich günstigste» an das «vorteilhafteste» Angebot. Die Qualitätskriterien werden gegenüber dem Preiskriterium deutlich gestärkt. Zusammen mit Bauenschweiz sowie weiteren Mitgliedsverbänden initiierte Infra Suisse ein Vergabemonitoring zur datenbasierten Analyse der Ausschreibungen in der Schweizer Bauwirtschaft. Kernstück bildet eine digitale Plattform, welche Beschaffungsdaten von der Ausschreibeplattform simap.ch bezieht und in einem Quartalsbericht publiziert.

Der Vergabemonitor analysiert die Entwicklung der Gewichtung verschiedener Zuschlagskriterien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Unter anderem weist die Auswertung die Aufteilung zwischen Bundes-, Kantons- und Gemeindeaufträgen auf. Dabei liefern die Erkenntnisse der Auswertung der verschiedenen Zuschlagskriterien wichtige Inputs für die operativen und strategischen Gespräche, die Infra Suisse mit den jeweiligen Vergabebehörden führt.

Download: Vergabemonitor der Bauwirtschaft, 1. Ausgabe 3. Quartal 2022

Die wesentlichsten Erkenntnisse der ersten Ausgabe:

  • Qualitative Zuschlagskriterien
    Die qualitative Beurteilung eines Angebotes war schon vor der Einführung des BöB ein wichtiger Bestandteil der Offert-Auswertungen. Dies zeigt sich mitunter auch am leichten Zuwachs von lediglich 2.9% und an der stagnierenden Gewichtung gegenüber dem Vorjahr. Zukunftsweisend erscheint uns die Gesamtgewichtung der qualitativen Zuschlagsbetrachtung. Mit einem Anteil von 41.6% bei der Bewertung von Bau-Aufträgen zeigt die Tendenz in die richtige Richtung. Auffallend ist jedoch die Entwicklung bei Kantonsaufträgen gegenüber dem Vorquartal, die eine leichte rückläufige Tendenz aufweist, während bei Gemeinde-Aufträgen die qualitative Bewertung einer Submissionsauswertung definitiv aufgenommen und weiterverfolgt wird.
  • Nachhaltigkeit
    Interessant ist die Tatsache, dass das die Nachhaltigkeit schon in den Jahren 2019/2020 eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat. Erfreulich ist die Entwicklung mit einem Zuwachs von 79.5% seit der Einführung des BöB. Die rückläufige Tendenz von -12.9% zum Vorquartal sowie -21.1% zum Vorjahr lässt jedoch aufhorchen.
    Die Nachhaltigkeit wird in den nächsten Jahren vermehrt an Gewichtung zulegen. Es ist unabdingbar, klare Messinstrumente zu schaffen – und zwar für alle drei Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung.
  • Innovation
    Die Entwicklung des Kriteriums Innovation ist erschreckend. Einem anfänglichen «Goodwill» steht eine drastische Reduktion im Vorjahr wie auch im Vorquartal gegenüber. Dies könnte auf fehlende Messinstrumente sowie einer sehr geringen Akzeptanz der Bewertung seitens der Unternehmungen hinweisen. Analog der Nachhaltigkeit muss hier ein Instrument geschaffen werden, das den Vergabebehörden ermöglicht, der Innovation ihre Bedeutung einzuräumen. Momentan lässt sich eine gewisse Ratlosigkeit aus den Zahlen lesen.
  • Plausibilität des Angebotes und Verlässlichkeit des Preises
    Die Plausibilität des Angebotes und die Verlässlichkeit des Preises sind für die Bauwirtschaft ein sehr wichtiges Zuschlagsinstrument. Es ist eine Massnahme, um Tiefpreisangebote entgegenzuwirken. Leider wurde dies bei mehreren Kantonen in ihren IVöB nicht implementiert. Hier sind Modelle wie das «Tessiner Modell» oder einige Umsetzungen beim ASTRA als Leuchtturmbeispiele umgesetzt worden. Als flankierende Massnahme muss gewährleistet werden, dass gewisse Zuschlagskriterien und Eignungskriterien klar voneinander abgegrenzt werden und der Wettbewerb unter den Anbietern erhalten bleibt.
  • Dialog
    Das Einführen des Dialogs kann zu einem erheblichen Mehrwert führen. Die Unternehmungen können so sehr früh in die Projektphase einbezogen werden und ihre Erfahrungen zur Optimierung einbringen. Mit einem Anteil von 2.6% bei der Ausschreibung von Bauaufträgen liegt die Bedeutung derzeit noch tief. Der Monitor zeigt aber deutlich auf, dass das Dialogverfahren seit dessen Einführung mit dem BöB in die Submissionen aufgenommen wurde. Die Gefahr bei der Ausschreibungsmethode mittels Dialogs liegt bei der Veröffentlichung unternehmerischer Ideen. Insofern ist es auch hier wichtig, klare Spielregeln aufzustellen.
  • Varianten
    Das Einreichen von Varianten war schon vor der Einführung des BöB eine oft angewendete Möglichkeit, seitens der offerierenden Unternehmungen gute und effiziente Lösungen vorzuschlagen. Die Reduktion erstaunt jedoch. Seitens der Vergabebehörden – vor allem auf kantonaler wie auch auf kommunaler Ebene – wird dieses Modell oft nicht gewünscht. Dies spricht gegen die Revision des Beschaffungsrechts. Es gilt hier, die Tendenz zu beobachten und dies mit den kantonalen wie auch kommunalen Vergabebehörden zu thematisieren.
  • Gesamtleistungswettbewerb
    Das Modell des Gesamtleistungswettbewerbs muss bei komplexen Bauvorhaben zukünftig mehr Gewichtung erhalten. Den aktuellen Stand bei den kantonalen Aufträgen von 0.00% ist besorgniserregend. Mit einer strategischen Allianz von Unternehmern und planenden Institutionen kann bei einer funktionalen Ausschreibung das Optimum erreicht werden.

Wie geht es weiter?
Zusammen mit den Mitgliedern und Partnerverbänden wird Infra Suisse die Entwicklungen weiterhin genau beobachten und analysieren. Die Erkenntnisse werden direkt in die Dialoggefässe mit den öffentlichen Bauherren sowie in die politische Arbeit einfliessen.

Haben Sie Fragen, Anliegen oder Verbesserungsvorschläge? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Mehr Informationen

Adrian Dinkelmann
Geschäftsführer
058 360 77 70
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