Tunnelbau auf Berg- oder Talfahrt

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Die Arbeit der Schweizer Tunnelbauer könnte bis in ein paar Jahren um 60 Prozent zunehmen – oder um 60 Prozent einbrechen. Diese enorme Unsicherheit macht der Branche zu schaffen, Fachwissen und Arbeitsplätze sind gefährdet.

Am 4. Dezember ist Barbaratag. Für die Tunnelbauer ist das ein Feiertag, denn die Heiligen Barbara beschützt sie bei ihrer Arbeit unter Tag. Doch längst sind nicht mehr Steinschlag und Wassereinbruch die grössten Gefahren für den traditionsreichen Schweizer Tunnelbau. Zu schaffen machen der Branche vielmehr die unsicheren Perspektiven. Eine Marktstudie im Auftrag des Fachverbands Infra zeigt, dass das Bauvolumen im Tunnelbau bis in sechs Jahren um bis zu 60 Prozent zunimmt. Jedoch nur dann, wenn wichtige Projekte auch tatsächlich realisiert werden können. Bleiben diese aber aus, schrumpft der Markt – ebenfalls um satte 60 Prozent.

Diese Ungewissheit hat Folgen, denn der Tunnelbau ist ressourcenintensiv und verlangt viel Spezialwissen. Die Baufirmen können in ihrer Situation kaum abschätzen, ob sie ihre Kapazitäten ausbauen oder reduzieren sollen. «Die Tunnelbauer brauchen Klarheit, welche Grossprojekte in den kommenden zehn Jahren realisiert werden», fordert deshalb Benedikt Koch, Geschäftsführer von Infra. Ansonsten verliert der Tunnelbau nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch wichtiges Fachwissen.

Paradoxe Situation

Diese Situation mag auf den ersten Blick erstaunen, denn mit dem Verkehr auf Strassen und Schienen wächst auch die Wunschliste für neue Tunnelbauten. Die politischen und juristischen Hürden im Entscheidungsprozess sind in der Schweiz aber derart hoch, dass es nicht selten Jahrzehnte dauert, bis ein Tunnelprojekt umgesetzt werden kann. Die dritte Röhre am Gubrist zeigt exemplarisch, wie dringend benötigte Engpassbeseitigungen durch Einsprachen und langwierige Gerichtsprozesse blockiert werden können.

Weniger Bahntunnels

Während der Anteil der Bahntunnelprojekte in den letzten Jahren bei rund 50 Prozent lag, wird er gemäss der Studie in Zukunft noch 25 Prozent ausmachen. Eine Entwicklung, die kaum überrascht. «Uns ist klar, dass der Bahntunnelbau nach der Fertigstellung der Neat deutlich zurückgeht», erklärt Koch. Kommt hinzu, dass andere grosse Tunnel – etwa das CEVA-Projekt in Genf – bald abgeschlossen sind. Der Rückgang beim Bahntunnelbau kann selbst der geplante Tiefbahnhof Bern, der zweite Tunnel am Bözberg oder der neue Albulatunnel der Rhätischen Bahn nicht stoppen. Auch die verschiedenen Bahntunnel-Sanierungen oder der 4-Meter-Korridor auf der Achse Basel–Chiasso vermögen das schrumpfende Volumen bei den Neubauten nicht zu kompensieren.

Etwas stabiler als bei den Bahntunnel ist das Marktvolumen bei den Strassentunnels. Im Rahmen der Netzvollendung und der Engpassbeseitigung hat unter anderem der Bau eines Sanierungstunnels am Belchen begonnen. Sicherheitsstollen machen bei den Nationalstrassen aktuell zwar bis zu 50 Prozent aus, am gesamten Tunnelbauvolumen jedoch lediglich 10 Prozent. Der Beitrag der kantonalen Umfahrungsprojekte an das gesamte Bauvolumen steigt in den kommenden Jahren von aktuell 6 Prozent auf über 15 Prozent. Entscheidend wird für die Tunnelbauer mittelfristig sein, ob und wann der Bypass Luzern und der Sanierungstunnel am Gotthard realisiert werden können.

Kaum Projekte für die Wasserkraft

Grosse Unsicherheiten für den Untertagbau bestehen beim Ausbau der Wasserkraft. Die Grossprojekte Linth-Limmern im Kanton Glarus und Nant de Drance im Wallis sind bald abgeschlossen. Weitere grosse Pumpspeicheranlagen, wie etwa das Projekt Lagobianco im Kanton Graubünden, wurden hingegen wegen den Entwicklungen des Strommarkts auf Eis gelegt.

Auskünfte

Matthias Forster
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