Mehr Marktwirtschaft bei den Autobahnen
Bundesrätin Doris Leuthard findet das Mitspracherecht der Bevölkerung bei Bauprojekten wichtig. Sie warnte an der Infra-Tagung aber zugleich vor einer «Beschwerden-Demokratie». Die Baubranche diskutierte zudem die Privatisierung der Schweizer Autobahnen nach österreichischem Vorbild.
«Wer Infrastrukturen plant und baut, muss in grossen Zeithorizonten denken», sagte Bundesrätin Doris Leuthard an der Tagung der Schweizer Infrastrukturbauer in Luzern. Dabei sei es wichtig, die Bevölkerung bei grossen Bauprojekten im Entscheidungsprozess miteinzubeziehen. Dieser Grundsatz dürfe jedoch nicht zu einer «Einsprachen- und Beschwerden-Demokratie» führen, stellte die Verkehrsministerin klar.
Kürzere Verfahren für Bewilligungen
Einsprachen und langwierige Bewilligungsverfahren sind auch auf dem Weg zu einer atomfreien Stromversorgung ein grosses Hindernis. «Heutige Bewilligungsverfahren dauern bis zu 12, manchmal aber auch über 30 Jahre», erläuterte Pierre-Alain Graf, CEO der Nationalen Netzgesellschaft Swissgrid AG. Eine Verfahrensdauer von 6 Jahren wäre optimal, denn die Zeit für den Netzumbau dränge, erklärte Graf. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen brauche ein flexibleres Stromnetz.
Autobahnen marktwirtschaftlich bauen und betreiben
Während in der Schweiz das Bundesamt für Strassen für alle Belange der Nationalstrassen zuständig ist, hat sich Österreich für ein marktorientierteres Modell entschieden. Die private Infrastrukturgesellschaft ASFINAG baut und betreibt über 2000 Kilometer Strassen. Eine konsequente Trennung von Aufsichtsbehörde und Infrastrukturbetreiber wäre nach deren Vorstandsdirektor Klaus Schierhackl auch für die Schweiz ein Gewinn. Profitieren würden sowohl die Benutzer des Strassennetzes wie auch die öffentliche Verwaltung. «Eine unternehmerisch ausgerichtete Gesellschaft realisiert nur Bauprojekte, die für das Leistungsangebot nötig sind», betonte Schierhackl. Lokale Begehrlichkeiten blieben auf eine gesundes Mass begrenzt.
140‘000 Artikel regeln das Bauen
«Das Baurecht von Bund, Kantonen und Gemeinden umfasst heute 140’000 Gesetzes- und Verordnungsartikel», erklärte Benedikt Koch, Geschäftsführer des Fachverbands Infra. Diese Flut an gesetzlichen Bestimmungen verursache allein im Hochbau in der Schweiz Kosten von schätzungsweise 1.6 Milliarden Franken pro Jahr. Auch im Infrastrukturbau nehme die Regulierungsdichte deutlich zu, stellte Koch fest. Diese Entwicklung mache die Arbeit der Bauunternehmen immer anspruchsvoller.
Doch auch für die Bauherren wird das Bauen schwieriger. Das stellte der stellvertretende Chef des Amtes für Landschaft und Natur des Kantons Zürich, Marco Pezzatti, fest. Immer häufiger und heftiger werde darüber gestritten, was mit dem verbleibenden, unbebauten Böden geschehen soll. Darum forderte Pezzatti von der Politik mehr Mut, klare Prioritäten zu setzen.
Faire Wettbewerbsbedingungen
Politische Unsicherheiten und mächtige Auftraggeber machen den Infrastrukturbau zu einem schwierigen Markt. Es sei grundsätzlich anerkannt, dass die öffentliche Hand im Infrastrukturbau marktmächtig ist, führte Patrick Krauskopf aus. Deshalb sei es besonders wichtig, dass sich die Vergabestellen an die vorgeschriebenen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren halten. Krauskopf ist Leiter des Zentrums für Wettbewerbs- und Handelsrecht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und war früher für die Wettbewerbskommission Weko tätig.
Sichere Strassenfinanzierung
Für klare Verhältnisse bei der Bahninfrastruktur hat das Stimmvolk vor einem knappen Jahr mit dem Ja zur FABI-Vorlage gesorgt. Urs Hany, Präsident des Fachverbands Infra, zeigt sich erfreut, dass nun aus einem separaten Fonds das bestehende Schienennetz besser unterhalten und wichtige Engpässe beseitigt werden können. «Was bei der Bahn schon Realität ist, fehlt noch beim bedeutendsten Verkehrsträger – der Strasse», merkte Hany an. Der Bundesrat habe mit der Absicht, einen Nationalstrassenfonds zu schaffen, den richtigen Weg eingeschlagen. Hany rief deshalb das Parlament dazu auf, auch für den Betrieb, den Unterhalt und den Ausbau der Nationalstrassen möglichst rasch einen Fonds mit genügend Mitteln zu schaffen.
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