Nachhaltigkeit – umfassend statt nur gut gemeint

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Nachhaltigkeit ist neu ein Zuschlagskriterium im öffentlichen Beschaffungswesen. Doch so einfach wie gedacht gestaltet sich eine nachhaltige Vergabe nicht – der Teufel steckt wie so oft im Detail. Gut zu illustrieren ist dieses Dilemma am Baustoff Beton.

Nachhaltigkeit ist wichtig – und per se nichts Neues. Erfolgreiche Unternehmer achten seit je darauf, dass ihre Unternehmung wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig unterwegs ist. Der Begriff Nachhaltigkeit geniesst aber seit einigen Jahren noch stärkere Aufmerksamkeit: Die UNO definierte Nachhaltigkeitsziele, im Lebensmittel- und Bekleidungsbereich steht dieses Prinzip hoch im Kurs und im kürzlich revidierten öffentlichen Beschaffungswesen ist Nachhaltigkeit erfreulicherweise neu ein Zuschlagskriterium.

Doch so prominent wie das Thema diskutiert wird, so gross ist die Gefahr, dass der Begriff für bestimmte Interessen vereinnahmt wird. Entsprechend knifflig ist die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen im Bau. Denn Nachhaltigkeit umfasst weit mehr als nur einen geringen CO2-Ausstoss bei der der Produktion von Baumaterialien. Das lässt sich sehr gut am Baustoff Beton illustrieren.

Langlebig ist nachhaltig

Zwar wird bei der Produktion von Zement verhältnismässig viel CO2 emittiert, der Baustoff Beton jedoch ist dauerhaft, praktisch unendlich oft recyclierfähig und spart somit Deponievolumen. Dies macht ihn nachhaltig. Nachhaltige Bauten zeichnen sich durch eine lange Lebensdauer, gute Isolationsfähigkeiten, hohe Umnutzungspotentiale, tiefe Produktionskosten und geringe Lebenszykluskosten aus. Eine wirklich nachhaltige Entscheidung muss diese diversen Aspekte berücksichtigen, besonders bei der Auswahl von Baumaterialien. Ansonsten wird aus einer gut gemeinten Entscheidung rasch das Gegenteil.

Auch eine andere Optik zeigt auf, wie komplex die adäquate Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Gesellschaft ist. Beispielsweise könnte man annehmen, dass auf Beton aufgrund der klimabelastenden Produktion von Zement besser zu verzichten wäre. Jedoch sind ohne Zement und Beton der Zugang zu sauberem Trinkwasser, verdichtetes Bauen in städtischen Gebieten, Optimierung und Ausbau von Verkehrs- und anderen Infrastrukturen oder der Schutz vor Naturgefahren schlicht unmöglich.

Alle Akteure gefordert

Es gilt auch weiterhin – über eine auf das Klima fokussierte ökologische Optik hinaus –, die Produktion und Anwendung von Zement klimafreundlicher zu machen. Die Zementindustrie bekennt sich seit Jahrzehnten zu ihrer Verantwortung im Klimabereich. Bereits 2003 wurde in der Schweiz eine Branchenvereinbarung zur massgeblichen Reduktion der CO2-Emissionen mit dem Bund unterzeichnet. Seit Jahrzehnten optimiert die Industrie nicht nur ihre Produkte, sondern sorgt mit verbesserten Prozessen auch für anderweitigen ökologischen Fortschritt. Das weltgrösste Elektrofahrzeug fährt beispielsweise in einem Schweizer Steinbruch. Die Zementunternehmen verwerten ausserdem seit Jahren Abfälle als alternativen Brennstoff. Sie vermeiden so Deponievolumen sowie CO2-Emissionen und schliessen Energie- und Stoffkreisläufe. Gerne würden sie diesen Anteil noch erhöhen, wenn sie Zugang zu mehr Abfallfraktionen erhalten würden. Und die Zementbranche bekennt sich explizit zum Netto-Null-Ziel bis 2050.

Herausfordernd dafür ist besonders der Teil der sogenannten geogenen CO2-Emissionen, also genau jener, die inhärent mit dem Zementherstellungsprozess verbunden sind. Um Zement herzustellen, muss Kalkstein gebrannt werden. Der im Kalkstein gebundene Kohlenstoff wird dadurch freigesetzt und CO2-Emissionen werden so unvermeidlich. Diese machen einen Grossteil der Emissionen aus und sind schwierig zu reduzieren. Für das Erreichen des Netto-Null-Zieles ist die Industrie folglich auf innovative Technologien angewiesen. Ein erfolgversprechender Ansatz ist das sogenannte Carbon Capture and Storage bzw. Use (CCS/CCU): die Abscheidung von entstehendem CO2 und dessen Speicherung bzw. Verwendung. Diese Technologien stecken jedoch noch in einem frühen Entwicklungsstadium und benötigen eine aufwendige Infrastruktur und teilweise sehr viel Energie.

Eine kohlenstofffreie Welt benötigt also den Effort aller Akteure: Nur entlang der gesamten Wertschöpfungskette lässt sich klimaneutrales Bauen verwirklichen. Ein Verzicht auf den wichtigen Baustoff Beton bzw. Zement wäre indes keineswegs nachhaltig, sondern würde wirklich nachhaltiges Bauen erheblich erschweren. Deshalb gilt es, die Nachhaltigkeit ausreichend breit zu fassen und Bauen als gemeinsames Generationenprojekt zu verstehen.

Als Fazit bleibt: Es ist erfreulich, dass Nachhaltigkeitskriterien auch im öffentlichen Beschaffungswesen Eingang finden. Sie müssen jedoch ausreichend breit definiert und unideologisch ausgestaltet sein. Damit lässt sich nachhaltiges Bauen fördern und die Umweltbelastung reduzieren.

David Plüss, Leiter Kommunikation, Verband der Schweizerischen Cementindustrie

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