Das revidierte Beschaffungsrecht bei der KBOB

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Das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ist seit dem 1. Januar in Kraft. Wesentliche Ziele waren die Abkehr vom reinen Preis- hin zum Qualitätswettbewerb sowie die Integration der Nachhaltigkeit. Die wichtigsten Verträge der KBOB für die Schweizer Infrastrukturbauer werden im folgenden Beitrag genauer analysiert.

Die KBOB als Interessenvertreterin der öffentlichen Beschaffungsorgane und Herausgeberin deren Vertragswerke hat im Zusammenhang mit der Umsetzung des revidierten Beschaffungsrechts eine besondere Verantwortung. Die Unterlagen wurden vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des neuen Beschaffungsrechts aktualisiert und sind auf der Website der KBOB verfügbar. Der Werkvertrag und der Totalunternehmervertrag Tiefbau spielen für die Schweizer Infrastrukturbauer eine besondere Rolle.

Der Werkvertrag

Die aktuelle Ausgabe des Werkvertrages ist als Version 2020 (1.0) gekennzeichnet. Der Aufbau ist identisch mit der Vorgängerversion, wobei ein neu eingesetztes Inhaltsverzeichnis die Orientierung innerhalb des Vertrags erleichtert. Die Liste der Vertragsbestandteile und deren Reihenfolge bleiben aber unverändert.

Die wichtigsten sind:

  • Werkvertragsurkunde
  • Angebot des Unternehmers
  • Besondere Bestimmungen Leistungsverzeichnisse neue/sep. Aufzählung
  • Pläne
  • SIA Normen

Die Nachhaltigkeit wird als zehnter Vertragsbestandteil aufgeführt und auf das Dokument der KBOB «Bedingungen für Werkleistungen im Hochbau» aus dem Jahr 2017 verwiesen. Dies ist für die Beschaffung von Infrastrukturleistungen allerdings ungeeignet. Vielmehr wäre hier die Bezugnahme auf den Standard für nachhaltige Infrastrukturen (SNBS) viel sinnvoller.

Die Struktur der Werkpreise bleibt unverändert. Auch wird für die Regiearbeiten auf die Kalkulationshilfen von IPB und SBV verwiesen. Für eine allfällige Gewährung von Rabatten und Skonti sind im Vertrag noch immer die entsprechenden Passagen vorgesehen. Es sei aber nochmals erwähnt, dass Skonti und/oder Rabatte von öffentlichen Bauherrschaften nicht vorgegeben werden dürfen, sondern von den Anbietern gewährt werden können.

Die Prüf- und Zahlungsfristen sind mit 10 und 30 Tagen korrekt vorgegeben. Hier werden die entsprechenden Verweise auf die SIA Norm 118 zwar gemacht, jedoch fehlen Hinweise auf die Weisungen des eidgenössischen Finanzdepartementes. Infra Suisse hat hierzu ein Factsheet erstellt. Die Angaben zu Sicherheitsleistungen und Garantien sind unverändert. Gleich bleiben auch die Standardvorgaben für die Befugnisse der Bauleitung. Die vorgegebenen 5’000 Franken sind für eine effiziente Abwicklung von Infrastrukturprojekten jedoch ungenügend. Auch die von Art. 84 der SIA Norm 118 abweichende Regelung des Änderungsrechts des Bauherrn ist in die neue Vertragsversion übernommen worden, obwohl die Praxis gezeigt hat, dass hier Verbesserungsbedarf besteht.

Neu ist die Vorgabe von Massnahmen zur Vermeidung von Korruption im Kapitel 15, die in einer Integritätsklausel festgehalten wird. Hier geht es im Wesentlichen um die Einhaltung des Bundesgesetzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG). Die Ausführungen der KBOB müssen so interpretiert werden, dass ein Verstoss (scheinbar) immer nur durch die Anbieter erfolgt und diese mit 10 Prozent der Vertragssumme, mindestens jedoch 3’000 Franken je Verstoss gebüsst werden sollen. Keine Aussagen sind allerdings zu unzulässigem Verhalten der marktbeherrschenden Unternehmen zu finden, mit welchem die Auftraggeber gemeint sind. Denn: Das gleiche Gesetz verbietet auch den Auftraggebern wettbewerbswidriges Verhalten – hierzu gehören insbesondere die Bauherrschaften im Tief- und Infrastrukturbau, die ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen könnten. Das Gesetz führt in Art. 7 Abs. 2 mögliche unzulässige Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen auf.

Der Totalunternehmervertrag

Auch der Totalunternehmervertrag (TU-Vertrag) enthält nun wie der Werkvertrag ein Inhaltsverzeichnis und wird ebenfalls als Version 2020 (1.0) benannt. Auch seine Struktur ist grösstenteils gleichgeblieben, wobei die Vertragsbestandteile und deren Reihenfolge unverändert bleiben. Die Allgemeinen Bedingungen der SIA Norm 118 zu einzelnen Werksteilen (beispielsweise SIA 118/267 für geotechnische Arbeiten oder SIA 118/198 für Untertagbau) sind in der Rangfolge gleich wie die im TU-Vertrag angehängten AGB der KBOB für Totalunternehmer. Die dort aufgeführten 27 Artikel können die etablierten Regelwerke nicht ersetzen und auch nicht sinnvoll ergänzen.

Unter dem Punkt Nachhaltigkeit findet man leider keine Neuerungen. Sämtliche Projektphasen und die Preisstruktur bleiben ebenfalls unverändert. Die Aussagen im Kapitel 4.5 «Anpassung Werkpreis» mit den Hinweisen zum Kostendach sind nicht neu. Auch Kapitel 4.6 enthält Regelungen für das Unter- und Überschreiten des Kostendaches. Noch immer fehlt, wie in der Vorgängerversion, eine Definition des Kostendaches. Die Aussagen zur Abrechnung der Regie sind zweckmässig angewendet. Neu ist die Möglichkeit im Kapitel 4.7.2, die Teuerungen auf Regiearbeiten in die Preise einrechnen zu lassen.

Die Prüfung- und Zahlungsfristen sind im TU-Vertrag bereits mit 30 Tagen vorgegeben, was im Widerspruch zur Weisung des eidgenössischen Finanzdepartementes steht. Ausserdem ist vorgesehen, dass die Bauherrschaften bereits für die vorgegebene übliche Zahlungsfrist einen Skonto erhalten sollen. Die Kapitel «Sicherheitsleistungen» und «Garantien» bleiben unverändert.

Im Kapitel «Anpassung der Termine» sind Konventionalstrafen für unterschiedliche Termine vorgesehen. Für schnellere Fertigstellungen gibt es in diesem Vertrag keine Anreize. Im Kapitel 15.6 mit der Überschrift «Bonus» fehlen weitere Angaben oder Hinweise. Im Kapitel 10 sind die weitreichenden Kompetenzen der Bauherrschaft geregelt, welche grossen Einfluss auf die Subunternehmer und Lieferanten der Auftragnehmer haben. In diesem Zusammenhang scheint der Hinweis angebracht, dass Aussagen zu Kosten gemacht werden, jedoch nicht zur Terminsituation, wenn die Bauherrschaft nachträglich Subunternehmer oder Lieferanten bestimmt oder vorgesehene ablehnt. Abschliessend sei darauf hinzuweisen, dass neuerdings im TU-Vertrag auch dem Thema Korruption ein Kapitel mit dem Titel «Integritätsklausel» gewidmet ist (vgl. Kapitel 14).

Erstes Fazit zur Umsetzung des neuen Beschaffungsrechtes

In der Bauwirtschaft wurden grosse Hoffnungen auf einen fairen Qualitätswettbewerb gesetzt, um die von allen Beteiligten beklagten negativen Folgen eines reinen Preiswettbewerbes zu mildern. Die ersten Dokumente der KBOB liegen nun vor, haben aber noch Luft nach oben. Obwohl rein werkvertraglich nicht viele Anpassungen notwendig gewesen wären, hätte mindestens im Bereich der Nachhaltigkeit mehr gemacht werden können. In den Leitfäden der KBOB zu den Verträgen sind zwar einzelne Hinweise ergänzt worden, aber vor allem die Preisgewichtung, Verlässlichkeit des Preises, Plausibilität des Angebotes, Umgang mit Innovation und Nachhaltigkeit scheinen bei der KBOB aktuell kaum Gewicht zu haben. Dies genügt somit bei weitem nicht, um den notwendigen Paradigmenwechsel einzuleiten. Dass viel mehr möglich ist, zeigt beispielsweise die Ausschreibung «Bâtiment pour les nouvelles centrales d’engagement et centre de calculs à Sierre» des Kantons Wallis. Hier ist die Höhe des Werkpreises mit 40% gewichtet, die Verlässlichkeit des Preises mit 20% und der Berechnungsschlüssel gleich transparent mitgeliefert worden.

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