Attraktive Arbeitgeber im Infrastrukturbau
Beruf und Privatleben individuell kombinieren zu können, wird vielen immer wichtiger. Mitglieder von Infra Suisse haben im Rahmen des Projekts «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» nach Möglichkeiten gesucht, wie Bauunternehmen diesem Bedürfnis besser gerecht werden können. Denn attraktiven Arbeitgebern fällt es leichter, Fachkräfte zu finden und zu halten.
Teilzeit auf Baustellen? Das geht nicht. So tönt es in vielen Bauunternehmungen gerade auch im Infrastrukturbau. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der Bauherr verlangt, dass Schlüsselpersonen ständig präsent sind. Der Landesmantelvertrag verunmöglicht jegliche Flexibilität. Die Mitarbeitenden wollen das gar nicht. Und sowieso liegen angesichts der angespannten Margensituation keine Mehrkosten mehr drin.
Ein Dutzend Mitgliedfirmen wollen es trotzdem versuchen und haben beim Projekt «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» von Infra Suisse mitgemacht. Ziel des Projekts war es, die Firmen über die verschiedenen Massnahmen aufzuklären, die zu einer besseren Vereinbarkeit beitragen und gemeinsam Ideen für die konkrete Umsetzung zu entwickeln.
Ideen und Erfahrungen austauschen
Begonnen hat das Projekt im November 2020 mit einem ersten Workshop. Anschliessend haben sich die Firmen individuell und mit Unterstützung der Fachstelle UND Gedanken gemacht, wie sie ihren Mitarbeitenden bessere Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bieten können. Die Analyse der Firmen und ihrer Massnahmen erfolgte anhand von sechs Faktoren der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben:
- Zeit: z.B. Wochenarbeitszeit, Weiterbildungszeit, Anpassung des Beschäftigungsgrades bei Elternschaft oder zu Pflegeaufgaben, Dauer des Elternurlaubs, Teilzeitpensum oder Regelungen für unbezahlten Urlaub
- Ort: z.B. ortsunabhängiges Arbeiten, Arbeitswege
- Geld: z.B. transparentes Lohnsystem, BVG-Koordinationsabzug, Lohnersatz bei Elternschaft
- Emotionale Unterstützung: z.B. die Offenheit der Geschäftsleitung gegenüber dem Thema, geschlechtsunabhängige Berufswahl, Führungsfunktion mit Teilzeit
- Instrumentelle Unterstützung: z.B. Anlaufstellen oder Förderprogramme, standardisierte Elternschaftsgespräche, Kinderbetreuungsangebote
- Verankerung: z.B. Controlling, Art der internen und externen Kommunikation, Führungsschulung, Stellenanalyse
Am zweiten Workshop im Mai mit Infra Suisse und der Fachstelle UND diskutierten die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen, die sie bei der Umsetzung einzelner Massnahmen gemacht haben. Dabei zeigte sich, dass einige Firmen gewisse Angebote bereits kennen, diese jedoch häufig nicht systematisch einsetzen. Sehr wertvoll für die Teilnehmenden war zudem, dass sie sich während des Projektes mit anderen Bauunternehmen vergleichen und vernetzen konnten.
Massnahmen umsetzen
Wenig überraschend macht die Umsetzung von Massnahmen wie flexible Arbeitszeiten oder Teilzeitmodelle beim Baustellenpersonal die grössten Schwierigkeiten. Daher wurde am zweiten Workshop darüber auch am meisten diskutiert. Es zeigte sich weiter, dass die Einstellung der Geschäftsleitung gegenüber dem Thema eine der grössten Hürden bei der Einführung von Massnahmen darstellt.
Interessant ist zudem, welche Massnahmen die Firmen aufgrund des Projekts umsetzen wollen. So plant die Hälfte der Firmen, eine grössere Flexibilität bei den Arbeitspensen zu ermöglichen auch beim gewerblichen Personal. Andere wollen die technischen Voraussetzungen für ortsunabhängiges Arbeiten zumindest für das technische und administrative Personal schaffen. Gewisse Firmen planen ihre Attraktivität zu erhöhen, indem sie einen überobligatorischen Lohnersatz bei Vaterschaft gewähren, Anlaufstellen institutionalisieren, ihr Kader konsequenter sensibilisieren und schulen sowie Kita-Plätze zur Verfügung stellen.
Erkenntnisse für die gesamte Branche wertvoll
Viele Unternehmungen zeigen grosses Engagement und viel Kreativität, um für ihre Mitarbeitenden attraktive Lösungen zu finden. Das ist bemerkenswert, setzt der Preisdruck in der Baubranche den finanziellen Möglichkeiten Grenzen. Auch der starre Landesmantelvertrag und traditionelle Erwartungshaltungen von Bauherren sowie der Geschäftsleitung sind Herausforderungen, die es von der Branche zu meistern gilt. Die Erkenntnis bei den Bauunternehmen reift dennoch, dass es sich lohnt, Vereinbarkeit proaktiv zu fördern. Sie wollen sich auf dem Arbeitsmarkt für qualifizierte Fachkräfte gegenüber ihren Mitbewerbern positionieren. Dazu gehören auch vereinbarkeitsfreundliche Arbeitsbedingungen.
Infra Suisse will mit dem Projekt dazu beitragen, die Branche noch zukunftsfähiger zu machen. Sie wird die wichtigsten Erkenntnisse und Ideen aus dem Projekt zusammentragen und ihren Mitgliedern zur Verfügung stellen. Einzelne Firmen, die teilgenommen haben, wollen sich nach Projektabschluss mit Unterstützung der Fachstelle UND weiter mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben auseinandersetzen.
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